Der Donau-Main-Kanal, der in den vergangenen Wintermonaten als Eissportplatz der Jugend und auch den Erwachsenen reichlich Gelegenheit zur Ausübung des Schlittschuhlaufens, des Eiskegelns usw. gab, dient nun im Frühjahr und Sommer wieder seinem eigentlichen Zweck, nämlich der Schifffahrt. Nachdem im Vorfrühling das Kanalbett gereinigt worden war, hat jetzt die Schifffahrt wieder begonnen. Der Kanal trägt wieder Schleppkähne aller Art mit ihrer schweren Last; gemächlich gleiten die Schiffe dahin, von einem Motor angetrieben oder auch noch von Pferden langsam und mühsam gezogen. Die Ausmaße des Kanals sind nicht sehr groß, die Schleppkähne aber haben meist eine ziemliche Größe und können in ihren geräumigen Leibern gewaltige Mengen an allerlei Gütern befördern. Es ist ein gutes Stück Romantik, wenn heute, im Zeitalter der Schnelligkeitsrekorde, die Kähne auf dem Kanal in langsamer Fahrt dahinziehen, ein Stück Romantik, das wohl nicht mehr sehr lange dauern wird, da der Großschifffahrtskanal in den nächsten Jahren auch bei uns Wirklichkeit werden wird. Bis es soweit ist, erfüllt der alte Donau-Main-Kanal brav und treu seine Aufgabe. Und wenn ein Schiff durch die zahlreichen Schleusen sich "hindurchschlängelt", dann gibt es immer wieder, besonders in den Städten, kleine und große Neugierige, die die Durchschleusung mit Interesse verfolgen. Die Wege am Kanal sind heute wie ehedem stille, sonnige Wege, die bei Spaziergängern sehr beliebt sind.

Gegenwärtig herrscht eine recht empfindliche Kälte, die im allgemeinen als sehr unangenehm empfunden wird, nicht nur weil beim Aufenthalt im Freien ordentlich an den Ohren "bitzelt" und es wegen der kalten Füße leicht zu Erkältungen kommen kann, sondern noch mehr deshalb, weil eingefrorene Wasserleitungen jetzt an der Tages- oder vielmehr an der Nachtordnung sind. Doch wie jedes Ding seine zwei Seiten hat, so ist auch die starke Kälte manchen Leuten nicht unwillkommen. Da freuen sich zunächst die Wintersportler, die beim Eislauf, beim Rodeln und Skilaufen sich nach Herzensluft vergnügt machen können. Noch weniger ungelegen kommt die Kälte den Brauern und Metzgern, die jetzt reichlich Gelegenheit haben, den für ihre Betriebe in den Sommermonaten notwendigen Eisbedarf zu decken. Am Kanal draußen herrscht daher in diesen Tagen Hochbetrieb. Da sind die "Eisbrecher" den ganzen Tag an der Arbeit, um den großen Eissegen zu bergen; starke Männerfäuste teilen die weite Eisfläche des Kanals in große rechteckige Eisschollen, die dann mit langen Haken an die Ufer gezogen und aufgestapelt werden. Von dort werden die Eisstücke auf Wagen geladen, von starken Gäulen oder auch von einem Bulldogg in die Stadt gefahren und dann in den Eiskellern der Brauereien und Metzgereien aufgeschichtet. Von früh bis abends sind die Männer bei der grimmigen Kälte tätig, um den Bedarf an Eis möglichst rasch zu decken, denn man kann nicht wissen, wie lange die gegenwärtige Witterung anhält. Und versorgen ist bekanntlich besser als das Nachsehen haben.